Aktiv im Zentrum

Lydia Ebermann 
Prozesssteuerung Aktives Zentrum Marzahner Promenade, BSM - Beratungsgesellschaft für Stadterneuerung und Modernisierung mbH, Sanierungsbeauftragte des Landes Berlin

 

Die Marzahner Promenade hatte von Beginn an einen besonderen Stellenwert in der Entwicklung der Großsiedlung Marzahn, da sie als ihr geographisches und gesellschaftliches Zentrum erst am Ende ihrer Fertigstellung im Zeitraum von 1984 bis 1988 errichtet wurde. Die Galerie M und das Freizeitforum folgten sogar noch bis 1991. Funktional sollte die circa einen Kilometer lange Fußgängerzone das Herz des Stadtbezirks sein – und wurde entsprechend mit einem sehr breiten Spektrum aus Kultur- und Sporteinrichtungen, hochwertigen Handels- und Dienstleistungsangeboten, Gastronomie und sozialer Infrastruktur ausgestattet. Als eines der ehrgeizigsten Großprojekte des sozialistischen Städtebaus und gestalterischer Höhepunkt zeichnete sie sich durch besondere Wertigkeit in der Architektur und die Vielfalt der Kunstwerke im öffentlichen Raum und in den öffentlichen Gebäuden aus. Die „Gestaltungskonzeption architekturbezogene Kunst” stand unter dem Motto „Frieden – durch die Kraft der Gemeinschaft der Kommunisten”.
Weder die vielfältigen Ausstattungsmerkmale noch die anspruchsvolle Gestaltung bewahrten das Zentrum vor einem deutlichen Funktionsverlust in der Nachwende-zeit, befördert nicht zuletzt durch den Bau des Einkaufszentrums Eastgate am S-Bahnhof Marzahn. Hohe Fluktuation, Bevölkerungsverlust, Leerstand von Gewer­beeinheiten und Wohnungen und dadurch bedingte mangelnde Belebung und Attraktivität waren die Folge. Aus dieser Situation heraus hat sich der Bezirk um die Aufnahme in das Bund-Länder-Förderungsprogramm Aktive Zentren beworben, das seit seinem Start 2008 wichtige Impulse zur wirtschaftlichen und stadtstrukturellen Stärkung ausgewählter Geschäftsstraßen setzt. Die Aufnahme in das Städtebauförder­programm gelang noch 2008 auf Basis des erarbeiteten Entwicklungskonzepts. Ziel war, das Ortszentrum „fit für die Zukunft” zu machen. 
Kern des Zentrenprogramms ist, die Attraktivität zentraler Versorgungsbereiche zu verbessern und ihre Nutzungsvielfalt und Belebung zu unterstützen. Da es ein interdisziplinäres Programm ist, können nicht nur bauliche Maßnahmen, sondern auch weiche Standortfaktoren wie zum Beispiel Veranstaltungen, Kunst und Imageverbesserung gefördert werden. Die Grundlage für die Bereitstellung von Fördergeldern bildete das Entwicklungskonzept von 2008, das 2014 überprüft und erneut bestätigt wurde. Getragen wurde das Konzept von fünf Säulen des Leitbilds. Eines dieser Leitziele lautet „Wahrnehmbarkeit herstellen” – also die wesentliche Verbesserung der örtlichen und funktionalen Wahrnehmbarkeit der Marzahner Promenade. Gemeint sind aber nicht nur die optischen Bezüge wie zum Beispiel Sichtachsen und räumliche Einblicke, sondern vielmehr auch eine Wahrnehmbarkeit im Sinne der Bewusstwerdung und Auseinandersetzung mit dem spezifischen Ort Marzahner Promenade und seiner Potentiale. 
Dazu gehören unstrittig die Kunstobjekte als wesentliches Charakteristikum und Bestandteil des Ortes. Laut Entwicklungskonzept sollte zur Stärkung des Kulturstandortes Marzahner Promenade der Raum um das Freizeitforum als „Kulturraum” und Gegengewicht zu dem kommerziellen Schwerpunkt am S-Bahnhof profiliert werden. Ferner konnten durch die Arbeit der kommunalen Galerie M, die teils bundesweit Beachtung gefunden hatte, durch das laufende Atelierprogramm, durch verschiedene Kunstevents wie „Acht Tage Marzahn” sowie durch die punktuelle Zusammenarbeit mit Studentinnen und Studenten der Universität der Künste weitere ganz unterschiedliche Aspekte künstlerischen Schaffens zum Tragen kommen. 
In diesem Gesamtkontext stellt die Projektreihe der temporären Kunstprojekte ein besonderes Alleinstellungsmerkmal dar, das sich kontinuierlich wie ein roter Faden durch die Jahre 2010 bis 2018 zieht. Durch die bezirkliche Fachkommission für Kunst im öffentlichen Raum war die Reihe in zwei Staffeln konzipiert worden. 
Die erste Staffel von 2010 bis 2014 ist in einer eigenen Publikation von 2015 bereits dokumentiert worden. Auch in der zweiten Staffel wurden in den Jahren 2015, 2016 und 2018 wieder je drei Kunstprojekte mit zeitgenössischer Kunst temporär verwirklicht. In jedem Programmjahr fand im Vorfeld der Juryentscheidung eine öffentliche Präsentation der jeweils eingereichten Entwürfe in den Räumen der Galerie M statt. Bürger und Bürgerinnen konnten sich so über die Entwürfe informieren und ein Votum für ihren favorisierten Entwurf abgeben. Das Ergebnis wurde dann dem Preisgericht zur Kenntnis gegeben. 
Eine Besonderheit stellt 2017 dar, das Jahr der Internationalen Gartenausstellung in Marzahn. Bereits 2016 wurde für das kommende Jahr berlinweit ein offener Wettbewerb durchgeführt, bei dem 30 Teilnehmende ihre Entwürfe einreichten. 2017 wurden dann sieben statt drei Entwürfe ausgeführt. Wie in den Jahren zuvor und danach wurden die Künstlerinnen und Künstler mit dem gleichen Budget von jeweils 5.000 Euro – finanziert über das Förderprogramm – ausgestattet. Dieser enge finanzielle Rahmen ist vor dem Hintergrund des Förderprogramms zu sehen, das ja primär städtebaulicher Natur ist, sodass die Förderung von Kunst und Kultur nicht im Fokus steht. Vielmehr sollen die Innenstädte und Ortszentren im Zusammenspiel unterschiedlicher Faktoren mit Kultur- und Stadtleben erfüllt und attraktiviert werden. 
Der Beitrag der temporären Kunstprojekte dazu kann nicht gemessen werden. Es ist aber zu vermuten, dass sie eine Spur in der Wahrnehmung der Anwohnerinnen und Anwohner, Besucherinnen und Besucher hinterlassen haben, denn die Bandbreite der Reaktionen war groß: Freude und Zustimmung, Unverständnis und Hilf­losigkeit, Ablehnung und Erbostheit, Duldung und Wiedererkennung. Was auch immer die einzelnen Projekte hervorriefen – sie sind verknüpft mit der Wahrnehmung der Marzahner Promenade als besonderen, vielleicht auch manchmal kuriosen Ort.